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Interview zu Wilderei in Zentralafrika

Angelique Todd über die Situation in der Zentralafrikanischen Republik

WWF-Online, 14.6.13

Seitdem ein Putsch die Zentralafrikanische Republik erschüttert, ist das Weltnaturerbe Dzanga-Sangha stärker bedroht als je zuvor, denn Wilderer machen Jagd auf die Waldelefanten. Die Primatologin und WWF-Beraterin Angelique Todd lebt seit über fünfzehn Jahren in dem einzigartigen Schutzgebiet. Im Gespräch erklärt sie die derzeitige Situation, was Dzanga-Sangha für sie ganz persönlich bedeutet und wie die deutsche Regierung helfen kann, das Schutzgebiet vor der Zerstörung zu retten.

WWF: Wie ist die Situation derzeit in der Zentralafrikanischen Regierung?

Angelique Todd: Es ist wieder etwas ruhiger geworden. Die neue Regierung versucht gerade, die Sicherheit wiederherzustellen. Dafür wollen die Rebellen der Séléka mit dem Militär kooperieren. In Bayanga, dem Ort direkt neben dem Schutzgebiet, halten sich seit ein paar Monaten chinesische Geschäftsleute auf, die im Schutzgebiet nach Diamanten suchen wollen. Wer die Konzession dafür erteilt hat, ist unklar und eigentlich eine absolute Katastrophe. Das hat sich allerdings als ein kleiner Glücksfall erwiesen. Die Séléka wurde von diesen Geschäftsleuten angeheuert, sie zu beschützen. Es klingt nach blanker Ironie, aber so lange die Chinesen noch da sind, ist dadurch auch Dzanga-Sangha etwas sicherer. Außerdem ist inzwischen eine vom WWF angeregte „Conjoint Mission“ aus Vertretern des Forstministeriums und verlässlichen Truppen der neuen Regierung in Bayanga eingetroffen, die die Lage deutlich stabilisieren.

Sind die Mitarbeiter nach der Evakuierung wieder zurückgekehrt?

Zum Großteil ja. Die meisten hatten sich und ihre Familien in Sicherheit gebracht. Die Nationalparkleitung, die Naturschutz-Fachleute und die EcoGuards sind aber nun fast alle wieder zurück. Allerdings sind unsere Büros zerstört, Türen und Fenster sind zerbrochen. Es ist offensichtlich, dass die Täter nach Geld gesucht haben, dabei haben sie alles durchwühlt und zerstört. Für unsere Arbeit sehr wichtiges Equipment wurde gestohlen, wie Kameras und Computer. Die Kommunikation ist mitten im Regenwald ohnehin schon schwierig, unter diesen Bedingungen ist sie fast unmöglich.

Denkst du, das Massaker in der Dzangha Bai bleibt einmalig, oder fürchtest du, so etwas könnte sich wiederholen?

Das ist schwer zu sagen. Im Moment sieht es so aus, als als wäre das Dzanga-Sangha Gebiet wieder einigermaßen unter Kontrolle. Aber das ganze Land versinkt ja gerade im Chaos und es werden weiterhin auch Menschen getötet, daher ist es unmöglich vorherzusehen, was passiert.

Welche Auswirkungen hat der Putsch in der Zentralafrikanischen Republik und das Massaker in der Dzanga Bai auf eure Arbeit?

Eigentlich ist Dzanga-Sangha ja eine riesige Erfolgsgeschichte – alle profitierten vom erfolgreichen Naturschutz und dem Öko-Tourismus. Wir beschäftigen 200 Angestellte und sind damit der größte Arbeitgeber in der Region. Derzeit sind wir allerdings beim Stand null angekommen. Wir können viele unserer Programme nicht am Laufen halten. In einer solchen Krise gibt es natürlich keinen Tourismus. Laufende Kosten können nicht gedeckt werden. Und ohne Einnahmen gibt es auch kein Geld für die Communities. Immerhin sind aber die EcoGuards wieder voll im Einsatz und auch die Mitarbeiter des Gorilla-Programms waren fast die ganze Zeit auf Posten!

Wie bewerten die Menschen vor Ort die Situation?

Sie fühlen sich machtlos. Die indigene Bevölkerung sorgt sich stark um die Umwelt, weil die Natur die Lebensgrundlage für sie darstellt. Ihre Meinung zählt aber nur alle paar Jahre, während des Wahlkampfes. Da bekommen sie dann Versprechungen zu hören und T-Shirts geschenkt dafür, dass sie wählen gehen. Danach haben sie nichts mehr zu melden. Unsere Projekte beziehen daher immer die lokale Bevölkerung ein. Umweltschutz kann nur dann funktionieren, wenn die Menschen vor Ort unmittelbar davon profitieren.

Was bedeutet Dzanga-Sangha für dich persönlich?

Ganz einfach, Dzanga-Sangha ist meine Heimat. Es bedeutet alles für mich. Es ist nicht immer leicht dort zu leben. Ohne die notwendige Leidenschaft ist es kein Ort, an dem man so viel Zeit verbringt. Die etwa 3000 Gorillas mögen es auf jeden Fall auch und ihnen gehört nun einmal meine ganze persönliche Leidenschaft. Ich liebe es, in dem wunderschönen Wald zu arbeiten. Es leben auch etwa 1000 Waldelefanten dauerhaft in Dzanga-Sangha. Wir rechnen mit bis zu 3000, die jährlich die Wälder durchqueren. Besonders eindrucksvoll ist die Dzanga Bai, die Elefantenaktivität dort unglaublich hoch. Die Elefanten sind unglaublich wichtig für das ganze Ökosystem. Sie sind gewissermaßen die Gärtner des Regenwaldes, denn sie verbreiten die Samen von vielen Pflanzen, die sie mit der Nahrung von verschiedenen Früchten aufnehmen.

Wie können die Menschen in Deutschland helfen?

Die deutsche Regierung kann und wird uns dabei helfen, Druck auf die Entscheidungsträger in der Zentralafrikanischen Regierung aufzubauen. Die Bundesrepublik hat großen Einfluss und darüber hinaus werden viele Projekte auf der ganzen Welt von der KfW und der GIZ finanziert. Seit über 20 Jahren nun auch schon in Dzanga-Sangha. Wir brauchen eine große Öffentlichkeit, damit die neue Regierung in der ZAR gezwungen wird, die Wilderei zu bekämpfen. Und natürlich helfen auch Spenden dabei, wieder alles aufzubauen was zerstört wurde.

Das Gespräch führte Matthias Adler.




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