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Zur WWF-Palmöl-Studie

Viel weniger Palmöl ist die Lösung!

Umweltverbände und Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Rezeption der WWF-Palmölstudie „Auf der Ölspur“ als irreführend. Sie stellen klar, dass der Verbrauch von Palmöl keineswegs unvermeidlich oder ein kleineres Übel ist – sondern dringend drastisch reduziert werden muss.

Gemeinsame Pressemitteilung von ROBIN WOOD, Watch Indonesia!, Institut für angewandten Regenwaldschutz, BOS Deutschland, INFOE, Orang Utans in Not, Pro Wildlife und Aktionsbündnis Regenwald statt Palmöl, 16.9.16

Die neue Studie des WWF „Auf der Ölspur – Berechnungen zu einer palmölfreieren Welt“ hat ein enormes Medienecho erhalten. Viele Berichte folgten dabei der Betitelung der zugehörigen WWF-Pressemitteilung vom 29.08.2016 „Kein Palmöl ist auch keine Lösung“.

Die unterzeichnenden Verbände und Organisationen begrüßen ausdrücklich die in der Palmöl-Studie des WWF zusammengestellten und gut aufgearbeiteten Daten, die vorgebrachte Problemanalyse als auch sinnvolle Forderungen an Unternehmen, Politik und Verbraucher. Sie kritisieren jedoch, dass die Pressemitteilung des WWF im Resultat zu einer groben Fehlbewertung der Sachverhalte führt. Die Überschrift eines Artikels in der Süddeutschen Zeitung macht das Dilemma deutlich: „Palmöl ist das kleinere Übel – leider“. Die VerbraucherInnen müssen denken, die Nutzung von Palmöl sei von allen Möglichkeiten die am wenigsten problematische – eine Verdichtung, die so bequem wie grundfalsch ist.

Die Studie geht der Frage nach, welche Auswirkungen es hätte, das Fett der problematischen, aber produktiven Ölpalme (hoher Flächenertrag) in Deutschland komplett durch andere, insbesondere heimische Ölpflanzen (mit geringerem Flächenertrag) zu ersetzen. Um die Auswirkungen eines solchen Ersatzes beziffern zu können, schätzt der WWF vorab, auf wieviel Palmöl in Deutschland ersatzfrei verzichtet werden könnte. Durch weitgehende Beendigung der Nutzung von Palmöl als Kraftstoff und Änderungen im Konsumverhalten sollen ca. 50% Reduktion zusammenkommen. Der Rest müsste komplett durch andere Pflanzenöle ersetzt werden. Das Resultat der Überlegungen des WWF laut Pressemitteilung: Größerer Flächenbedarf. Mehr Treibhausgasemissionen. Weniger biologische Vielfalt. Die Probleme würden verschlimmert. Dass der WWF also scheinbar die weitere Verwendung von Palmöl als umweltfreundlicher empfiehlt, ist ein Paradox, das von vielen Medien dankbar aufgenommen wurde.

Dass dies jedoch eine Fehlbewertung darstellt, wird an mehreren Schlüsselpunkten deutlich. So unterstellt das WWF-Szenario ein ersatzfreies Minderungspotential von ca. 50%. Andere Umweltverbände hielten eine Reduktion eher im Bereich 60-80% mittelfristig für möglich. Erreicht werden könnte dies über ein striktes Verbot von Palmöl als Treibstoff in Fahrzeugen und Kraftwerken (ca. 50%), die Verbannung aus Mastfuttermitteln für die industrielle Tierproduktion (ca. 10%) und sanft wirksame Maßnahmen in den Bereichen chemisch-industrielle Nutzung, Seifen und Lebensmittel. Es macht einen gravierenden Unterschied, ob über Alternativen zur Hälfte oder nur eines Viertels des heutigen Verbrauchs gesprochen werden muss.

Zudem streben – anders als es der Untertitel der Studie nahelegt – keine politisch relevanten Akteure eine "palmölfreie" Welt an. Der WWF beleuchtet ein Extremszenario, in welchem 100% des heutigen deutschen Palmölkonsums verschwinden müssten, und kommt per Pressemitteilung zum Schluss, dass dies nicht günstig wäre. Folgte man dieser realitätsfernen Annahme, bestünde die Herausforderung unserer Tage möglicherweise darin, bestehende Palmölplantagen zu Regenwald zurückzuentwickeln.

Tatsächlich geht es heute jedoch darum, Ansätze zu fördern, welche die immer weiter fortschreitende nachfragegetriebene Zerstörung von Regenwaldflächen für immer neue Plantagen stoppen können. Der Palmölhunger der EU ist ein signifikanter Teil der globalen Nachfrage und damit Mitursache des Raubbaus am Tropenwald. Eine spürbare Reduktion der Nachfrage nach Palmöl in Deutschland und der EU wäre die wirksamste Bremse gegen Produktionsausweitungen.

Besonders stark stieg in den letzten Jahren die Nachfrage nach fälschlicherweise als klimafreundlich eingestuftem Palmöl als Kraftstoff. Und bereits der ersatzfreie Verzicht auf nur dieses eine Marktsegment, also 50% weniger Palmöl, würde schon ein enormes Signal an die Märkte senden. Bedenkt man weiterhin, dass auch ein großer Teil der heimischen Pflanzenölproduktion nicht etwa der Ernährung dient, sondern ebenfalls unsinnigerweise als Diesel verbrannt wird, so relativiert sich das Problem einer möglichen Agrarflächenverknappung durch Palmölsubstitution weiter.

Überlegungen zum Ersatz von Palmöl sind interessant und wichtig, aber das Potential ist verglichen mit Reduktionsstrategien vergleichsweise begrenzt. Wollte man also die Erkenntnisse der WWF-Studie im Kern treffend zusammenfassen, müsste man titeln „Viel weniger Palmöl ist nötig und möglich!“, oder „Stoppt Agrokraftstoffe!“. Die aktuelle Medienberichterstattung verkehrt dies jedoch nahezu ins Gegenteil und die Differenzierungen sowie Forderungen der potentiell wertvollen Studie werden kaum transportiert. Das ist kein Wunder, denn die im Pressetext des WWF kommunizierten Ergebnisse „Größerer Flächenbedarf. Mehr Treibhausgasemissionen. Weniger biologische Vielfalt“ – stehen teilweise im direkten Widerspruch zu den eigentlichen Ergebnissen der Studie. Laut Studie könnte der Ersatz von Palmöl, etwa durch heimisches Rapsöl, durchaus einen positiven Effekt auf die Biodiversität haben.

Die Debatte über den Umgang mit dem Konflikt-Agrarrohstoff Palmöl ist wichtig und aktuell im Vorfeld der Neugestaltung der EU-Richtlinie über Erneuerbare Energien in Bezug auf Agrokraftstoffe politisch hochbrisant. Doch die Kommunikation zur neuen WWF Studie leitet die öffentliche Aufmerksamkeit fehl: weg vom enormen Veränderungspotential, welches Reduktionsstrategien bieten und – über das Argument der Substitution – hin zur Debatte um die Nachhaltigkeitszertifizierung des nur scheinbar alternativlosen Palmöls. Der WWF, Gründungsgmitglied und Verfechter des stark in die Kritik geratenen Zertifizierungsmechanismus RSPO, erweist damit nicht nur den AutorInnen der eigenen Studie, sondern der gesamten Debatte um Palmöl und Tropenwaldschutz einen Bärendienst.




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