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Mangelndes Naturwissen bei Kindern

Natur: Vergessen?

Erschreckende Befunde des Jugendreport Natur 2010 – Naturwissen extrem mangelhaft

DJV-Pressemitteilung, 10.6.10

Innerhalb weniger Jahre hat das Naturbild der jungen Generation gravierende Veränderungen erfahren: Für viele geht die Sonne inzwischen im Norden auf, Hühner legen drei Eier am Tag, Kühe haben elf Zitzen, aus dem Hirsch ist ein Reh und aus dem Kitz ein Kid geworden. 3.000 junge Menschen im Alter von 11 bis 15 Jahren hat Dr. Rainer Brämer, Natursoziologe an der Universität Marburg, in sechs Bundesländern befragt. Im sechsten Report seit 1997 haben die Jugendlichen über 150 Fragen zum Naturverständnis beantwortet. Unterstützt wurde er dabei vom Deutschen Jagdschutz-Verband (DJV), dem information.medien.agrar e.V. (i.m.a.) und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW).

„Dank Hollywood geht vielen Jugendlichen ‚Tyrannosaurus rex’ flüssiger über die Lippen als ,Rehkitz’, das auch mal schnell zum Hirschling wird“, so DJV-Präsident Jochen Borchert. Es sei erschreckend, dass jeder zweite Befragte den Nachwuchs des Rehbocks einem entfernten Verwandten, dem Rothirsch, untermogeln wolle.

Gerd Sonnleitner, der Vorsitzender der i.m.a., fasste die Ergebnisse der Studie so zusammen: „Eigene Erfahrungen können die Kinder und Jugendlichen kaum mehr sammeln. Was für viele aus meiner Generation selbstverständlich war, nämlich im Sommer auf dem Bauernhof zu helfen oder selbst im Garten zu arbeiten, fällt heute unter die Rubrik ‚exotisch’. Da wundert es kaum, dass manche Kinder glauben, dass eine Kuh am Euter elf Zitzen hat oder ein Huhn pro Tag mehr als sechs Eier legen kann“.

Nach Wolfgang von Geldern, Präsident des Waldschutzverbandes SDW, könnte das Eichhörnchen der neue Super-Mario sein, denn im Wald ist viel los. „Der Wald ist ein Abenteuerspielplatz für unsere Kinder, wie es in Deutschland keinen zweiten gibt. Hier können sie toben, aber eben auch viel lernen und das spielerisch und nebenbei“, erklärte SDW-Präsident Dr. Wolfgang von Geldern.

Das Thema „nachhaltiges Verhalten“ ist bei den Jugendlichen trotz intensiver Bemühungen durch die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ noch nicht ausreichend angekommen. Die Mehrheit der Jugendlichen verbindet Normen ökologischer Korrektheit wie „keine Pflanzen ausreißen“ (71%) und „keinen Müll in den Wald werfen“ (86%) fälschlicherweise mit nachhaltigem Handeln. Pflege, Ruhe und Ordnung dominieren, die schonende Nutzung natürlicher Ressourcen ist weiterhin ein Tabu. Die über 200 Jahre alten Inbegriffe für Nachhaltigkeit „Nur so viel Holz ernten wie nachwächst“ (65%) und „Tiere jagen, ohne sie auszurotten“ (50%) erfahren deutlich weniger Zuspruch. Für die Natur schädlich bewerten daher 70 Prozent der Befragten das Fällen von Bäumen und 67 Prozent das Jagen von Rehen und Wildschweinen. Gleichzeitig sind sich Jugendliche nur teilweise der Auswirkungen ihres eigenen Tuns bewusst: Immer das neueste Handy zu besitzen, hat für knapp jeden zweiten Befragten keine schädlichen Auswirkungen auf die Natur. Der immense Rohstoff- und Energiebedarf bleibt unerkannt.

Um dieser Naturentfremdung bei Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken, engagieren sich alle drei an der Studie beteiligten Organisationen in verschiedenen Projekten. Seit über 20 Jahren gibt es die außerschulische Bildungsinitiative Lernort Natur der Jäger. Dabei steht der Revierbesuch im Wald im Vordergrund, bei dem Kindergarten- und Grundschulkinder im Alter von 3 bis 10 Jahren die heimische Natur entdecken. Die deutsche Landwirtschaft lädt mit Aktionen wie „Lernort Bauernhof“ oder „Tag des offenen Hofes“ ein, den Bauernhof live zu erleben und so einen realistischen Blick in den Stall und auf die Felder zu werfen. Bei den Waldjugendspielen der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) können Kinder und Jugendliche mit Geschick, Beobachtungsgabe und detektivischem Spürsinn bestimmte Aufgaben lösen, die sich im Zusammenhang mit dem Ökosystem Wald stellen.

Insgesamt nehmen an diesen Aktionen jährlich mehrer hunderttausend Kinder und Jugendliche teil – aber immer noch zu wenig, wie die Ergebnisse der Studie zeigen. Alle Verbände sind sich darin einig, dass die Aktionen weiter ausgebaut werden sollten. „Wir müssen das immer abstrakter werdende Naturbild bei Jugendlichen umkehren. Sonst scheitern wir mit der Zukunftsaufgabe Nachhaltigkeit“, sagte Dr. Rainer Brämer. Der Nachwuchs müsse wieder hautnah erfahren, dass alle Lebensmittel und auch alle Konsumprodukte letztlich aus der Natur kommen. Nur so ließen sich die Lebensgrundlagen auf unserem Planeten langfristig erhalten.







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