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Aktuell
Dossier zur deutschen Waldpolitik
Waldpolitik in Deutschland
Zwischen Grabenkampf und Dialog
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) überreichte im Juni sein
Umweltgutachten 2012 »Verantwortung in einer begrenzten Welt« 1 an Bundesumweltminister
Peter Altmaier. In einem der Kapitel befassten sich die Wissenschaftler
mit dem Thema »Umweltgerechte Waldnutzung« und empfehlen
eine Reihe von Maßnahmen, um konkurrierende Nutzungsansprüche auszugleichen.
Von László Maráz, Koordinator der Plattform
»Nachhaltige Biomasse« und der AG Wald des
Forums Umwelt und Entwicklung, Oktober, 2012
Es wäre gut, wenn die seit Jahrzehnten festgefahrene Debatte um die Ausgestaltung der Waldnutzung infolge der Empfehlungen dieses unabhängigen Gremiums konstruktivere Züge annehmen würde.
Doch das ist nicht zu erwarten,
nachdem sich neben Vertretern von
Verbänden der Forstwirtschaft und
des Waldbesitzes auch elf Professoren
verschiedener Forstfakultäten beim
Umweltminister über das Gutachten
beschwert haben.
Natürlich hielt sich die Freude auf
Seiten der Akteure aus Forstwirtschaftskreisen
in Grenzen, denn die
Gutachter haben der etablierten, konventionellen
Forstwirtschaft nicht nur
ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis
ausgestellt. Auch die Empfehlungen
der Wissenschaftler zählen zu den
Hausaufgaben, vor deren Erledigung
sich die Forstwirtschaft schon seit
Jahrzehnten erfolgreich drückt.
Wobei man den Kritikern zugestehen
sollte, dass einzelne Aussagen des
Gutachtens durchaus etwas präziser
sein könnten. Auch hätte an einigen Stellen statt konkreter Empfehlungen
eher ein Hinweis auf Forschungs- und
Klärungsbedarf gut getan, denn in der
Tat ist die Gemengelage etwa beim
Thema Holzvorräte oder Klimawirkungen
von Holzprodukten noch recht
unübersichtlich. Dies mindert aber
nicht die hervorragende Qualität des
Gutachtens, sondern könnte auch für
einen Einstieg in einen konstruktiven
Dialog genutzt werden.
Gestiegener Nutzungsdruck bedroht
die Wälder
Der SRU ist besorgt darüber, dass
mit dem Anstieg der Energie- und
Rohstoffpreise eine Kommerzialisierung
der Waldnutzung droht, die die nichtkommerziellen Funktionen der
Wälder zunehmend gefährdet. Bei der
Nutzung müsse jedoch vor allem im
öffentlichen Wald dem Schutz der natürlichen
Lebensgrundlagen Vorrang
gegeben werden.
Angemahnt wird auch die dringende
Umsetzung der Ziele der nationalen
Strategie zur biologischen Vielfalt
für den Lebensraum Wald, wobei unter
anderem Flächen mit natürlicher
Entwicklung auf zehn Prozent der geeigneten
Waldfläche der öffentlichen
Hand rechtlich abzusichern sind.
Geht es nach dem SRU, müssten
ökologische Mindeststandards für die
gesamte Waldfläche Deutschlands
gelten. Empfohlen wird unter anderem
eine Konkretisierung des Begriffs der
»ordnungsgemäßen Forstwirtschaft«
in Paragraph 11 Absatz 1 Bundeswaldgesetz,
die allen Akteuren als Leitfaden
für eine ökologische und nachhaltigere
Waldnutzung dienen könnte.
Diese Standards würden gleichzeitig
auch den Bewertungsmaßstab für die
Honorierung darüber hinausgehender
öffentlicher Leistungen bilden.
Es wird empfohlen bei der Erfassung
von Wildschäden auch Schäden an
der biologischen Vielfalt in die Schadensermittlung
mit einzubeziehen. Die
Vermeidung von Wildschäden sollte
prioritär gegenüber monetären Ersatzmaßnahmen
sein.
Zur Abmilderung des Klimawandels
in den kommenden Jahrzehnten müsste
der Aufbau weiterer Kohlenstoffvorräte
im Wald durch ein höheres
Bestandsalter angestrebt werden. Ein
hohes Alter des Waldes ist gleichzeitig
die Grundlage für das Vorkommen
vieler gefährdeter Waldarten. Um die
Kohlenstoffspeicherfunktion zu schützen,
empfiehlt der SRU eine schonende
Nutzung von Biomasse aus Wäldern. Dabei sollten mindestens 50 Prozent
der natürlichen Holzvorräte erhalten
bleiben. Unter Berücksichtigung von
Natur- und Bodenschutz müssten die
Potenziale von Landschaftspflegeholz
und Resthölzern erschlossen werden.
Konfrontation statt Kooperation
Die Reaktion auf das Gutachten
war heftig. Ende Juli verfassten einige
Forstprofessoren eine Stellungnahme
2, mit der sie nicht nur versuchen,
Aussagen des Umweltgutachtens zu
widerlegen. Sie bemängeln das Gutachten
zumindest in Bezug auf die
Waldnutzung als einseitig. Aus ihrer
Sicht verletze es zudem elementare
wissenschaftliche Qualitätsstandards.
Ähnlich ablehnend äußern sich einige
Verbände von Waldbesitz und
Forstwirtschaft in einem Brief an den
Umweltminister 3. Ihre Kritik am SRU,
der die vielfältigen Leistungen der
Forstwirtschaft und der Holzproduktion
nicht beachtet habe, geht allerdings
am Thema vorbei: In diesem
Umweltgutachten geht es darum, Verantwortung
in einer begrenzten Welt
zu übernehmen, und nicht um die Berichterstattung
über Forstwirtschaft
und Holzerzeugung.
Eine Würdigung zumindest einzelner
Aussagen und Lösungsvorschläge
des SRU findet sich in keiner der
Stellungnahmen, obwohl das Umweltgutachten
2012 eine Reihe guter
Handlungsempfehlungen gibt, um
Probleme zu lösen, die auch der Forstwirtschaft
und den Waldbesitzern großen
Schaden zufügen (Wildbestände,
Schadstoffeinträge). Dabei könnte sich
die Forstwirtschaft 300 Jahre nach
der Entwicklung des Nachhaltigkeitsbegriffes
wieder daran beteiligen, Verantwortung
in einer begrenzten Welt
zu übernehmen.
Dient der Verzicht auf Nationalparks
dem Regenwaldschutz?
So machen die elf Professoren
auf vermutete Nebenwirkungen der
Schaffung von Schutzgebieten aufmerksam
und schreiben: »Ein Zurückfahren
der Holznutzung in heimischen
Wäldern führt zwangsläufig zu einer
Erhöhung der Holzimporte.« Eine derart
kritiklose Akzeptanz des hohen Papier-,
Energie- und Holzverbrauches
ist blamabel für eine Zunft, die sich die
Erfindung der Nachhaltigkeit rühmt.
Schon vor knapp 300 Jahren wurde nämlich der Verbrauch des knappen
Rohstoffes Holz streng reglementiert.
Damals waren wegen des immensen
Holzverbrauches für den Bergbau
und die Erzschmelzen die Grenzen
des Wachstums schon einmal sichtbar
geworden. Dass der SRU fordert,
den Holzverbrauch zu senken und
Nutzungsgrenzen einzuführen, damit
der Wald keinen Schaden nimmt, wird
von den Kritikern nicht zur Kenntnis
genommen. Die Forstprofessoren
fordern stattdessen allen Ernstes, die
Ausweisung von Waldnationalparks
in Deutschland zu überdenken, aus
angeblicher Sorge um die Wälder anderer
Regionen. Wenig bekannt ist, ob
und wann sich die Autoren des Briefes
zuvor jemals für den Schutz der
Regenwälder oder gegen die Verwendung
von Raubbau-Holz eingesetzt
haben.4
Naturnähe ein Nachteil im
Klimawandel?
Die Kritiker setzen in ihrem Brief
auch auf andere Argumente gegen
die Ausweisung von Schutzgebieten:
»Dementsprechend kann auch der
Empfehlung des SRU nicht pauschal
gefolgt werden, zur Anpassung der
Wälder an den Klimawandel Schutzgebiete
auszuweiten.« »Schutzgebiete
sind in der Regel durch eine hohe
Naturnähe gekennzeichnet. Nicht die
bisherige Naturnähe gewährleistet
jedoch eine geringe Anfälligkeit gegenüber
Klimaänderungen, sondern
die Angepasstheit an die zukünftigen
Klimabedingungen.«
Diese statische Sichtweise der
Forstwissenschaftler enttäuscht und
deutet auf einen eklatanten Mangel
an Verständnis von waldökologischen
Grundlagen hin. Naturnähe hat sich in
unseren Wäldern nur dort entwickelt,
wo die natürliche Prozessdynamik
vor der Holznutzung und der Industrialisierung
der Wälder weitgehend
verschont wurde. Ziel der Nationalen Strategie ist es ja, auf fünf Prozent
der Waldfläche die natürliche Waldentwicklung
zuzulassen. Diese findet
ja nicht abgeschirmt unter einer Käseglocke
des Naturschutzes statt,
sondern schließt die stetige, dauernde
Anpassung von Wäldern an wechselnde
Umweltbedingungen mit ein.
Von vielen forstlichen Akteuren wird
hingegen vor allem der Anbau starkwüchsiger
Baumarten gefordert (zum
Beispiel Douglasie und Küstentanne).
Ist es eine glückliche Fügung der Natur,
dass ausgerechnet die schnell
wachsenden, für die Holzindustrie gut
geeigneten Baumarten so exzellent
an den Klimawandel angepasst sein
sollen? Und warum werden die mediterranen
Arten Korkeiche und Stechpalme
so selten empfohlen?
Intensiver Holzeinschlag als Garant
für biologische Vielfalt?
Die elf Unterzeichner kümmern sich
in der Stellungnahme auch um die Sorgen
der Holzwirtschaft, die vor allem
an der Bereitstellung günstiger Massensortimente
interessiert ist. Große,
alte Bäume mit wertvollem Qualitätsholz
sind da weniger gefragt. Die
Tendenz zur Plantagenforstwirtschaft
spiegelt sich in folgender Aussage
wider: »Ebenso wird dabei vergessen,
dass viele Elemente der Biodiversität
lichter Waldstrukturen bedürfen, die
nur durch Absenkung von Vorräten zu
erreichen sind.«
Es geht beim Schutz der biologischen
Vielfalt um die natürliche, waldtypische
Arten- und Strukturvielfalt,
und nicht um eine möglichst hohe
Artenzahl an sich. Diese ist aber nicht
durch das Vorkommen von Freilandarten
und Arten aus trockeneren Klimazonen
geprägt, sondern zu großen
Teilen aus Vertretern der Pilze und
Käfer, die auf alte Bäume und ein reiches
Vorkommen von Biotopholz angewiesen
sind. Das mag enttäuschend
sein für manchen Heuschrecken- oder Schmetterlingsfreund. Vor allem aber
ist es den Freunden der Kahlschlagwirtschaft
zuwider, die sich inzwischen
auch als Fürsprecher hoher Artenzahlen
tarnen.
Kampfansage als Dialogangebot?
Es ist durchaus zu begrüßen, dass
sich die Forstwissenschaftler an der
Debatte beteiligen. Ein Startschuss für
einen konstruktiven Dialog war der Beitrag
aber nicht. Gut, dass die überwiegende
Mehrheit der Forstprofessoren
in Deutschland diese gründlich misslungene
Stellungnahme nicht unterzeichnet
hat. Vielleicht besinnt sich der
ein oder andere noch einmal und beteiligt
sich an einer offenen, respektvollen
und sachlichen Debatte, die schon so
lange überfällig ist. Dafür müssten alle
Beteiligten aber mit besseren und ehrlicheren
Argumenten aufwarten, anstatt
einseitig gegen den Naturschutz
und eine ökologisch angepasste Waldnutzung
zu argumentieren.
Auch die Waldbesitzer- und Forstverbände
bekunden zwar in ihrem
Brief ihr Interesse an gemeinsamen
Gesprächen und einem ernsthaften
Dialog, laden aber schon im darauffolgenden
Satz Umweltminister Altmaier
zu einem persönlichen Gespräch ein,
um ihm ihre Sicht der Dinge darzulegen.
Den Vorschlag des SRU, der alle
Beteiligten an einen Runden Tisch zusammenbringen
will, greifen sie nicht
auf.
Im kommenden Jahre jährt sich die
»Erfindung« der Nachhaltigkeit zum
300. Mal. Es wird Zeit, den Begriff umfassender
zu begreifen und die Idee
auch im Wald umzusetzen.
1 http://www.umweltrat.de/SharedDocs/
Downloads/DE/01_Umweltgutachten/2012_
Umweltgutachten_Kap_06.html
2 Vgl. https://www.waldbau.uni-freiburg.de/
news_events/offenen%20Brief/view
3 Vgl. http://www.forstkammer-bw.de/
fileadmin/Forstkammer/Download/
Umweltgutachten_2012_Schr._Altmaier.pdf
4 Siehe dazu auch den Brief der AG Wald
an AGDW und DFWR zum Thema
»Regenwaldschutz«: http://www.forumue.de/
themen/waelder/ag-waelder-hintergrund/
offener-brief-an-dfwr-und-agdw/
(Artikel entnommen dem Rundbrief 3/2012 des Forums Umwelt und Entwicklung http://www.forumue.de/publikationen/rundbriefe/rundbrief/rundbrief-iii2012/ )
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