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Aktuell
Wasserkrise in Deutschland
Gülle vergiftet Brunnen
Zu viel Dünger auf zu wenig Land - ein Riesenproblem für viele deutsche Gewässer und Trinkwasserbrunnen. Jetzt droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
Von Martin Hofstetter, Greenpeace-Online, 5.9.14
Dank Massentierhaltung, Biogasanlagen und mangelhafter Dünge-Regelungen wird die Qualität unseres Grundwassers vielerorts immer schlechter. Weil die Nitratwerte in vielen Gewässern deutlich zu hoch sind hat die EU-Kommission im Juli die zweite Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland eingeleitet. Der Bundesregierung bleibt nur noch bis zum 11. September Zeit, um gegenüber der Europäischen Kommission darzulegen, wie genau eine Verbesserung der Situation erreicht werden soll. Ansonsten droht Deutschland eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Bundesregierung riskiert damit tägliche Strafzahlungen in Höhe von 120.000 Euro und eine Einmalzahlung von 28 Millionen Euro.
Düngemittel in Boden, Wasser, Luft
Das Problem ist einfach umschrieben: Es wird in Deutschland viel zu viel Dünger in Form von Gülle und Kunstdünger auf viel zu wenig Land ausgebracht. Im Schnitt landen fast 100 Kilogramm Stickstoff mehr auf jedem Hektar Agrarfläche als mit der Ernte weggefahren wird. Dieser Überschuss gelangt über kurz oder lang in die Umwelt. Stickstoff sickert im Laufe der Jahre in tiefere Bodenschichten und vergiftet so unser Trinkwasser von morgen. Ein Teil verdunstet als Ammoniakgas in die Luft und führt zu Versauerung und Nährstoffeinträgen in unseren Wäldern.
Düngestickstoff verdunstet aber auch als hochklimarelevantes Lachgas in die Atmosphäre. Stickstoff und Phosphate aus der Überdüngung gelangen von den Äckern durch Erosion in Gräben und landen von dort in Flüssen, Seen und Meeren. Dort führen sie zu Eutrophierungen und Algenblüten und im schlimmsten Fall zum Umkippen der Gewässer. Die jährlich vorkommenden großflächigen Algenblüten und Fischsterben in vielen Seen sowie in der Ostsee und an Küstenabschnitten sind darauf zurückzuführen, aber auch die steigenden Nitratwerte in vielen Grundwasserbrunnen.
Nitrat im Grundwasser - ein bundesweites Problem
Laut Umweltbundesamt zeigen rund 50 Prozent aller Grundwasser-Messstellen in Deutschland erhöhte Nitrat-Konzentrationen von über 10 Milligramm/Liter 15 Prozent des Grundwassers halten gar den für Trinkwasser geltenden Grenzwert von 50 Milligramm/Liter nicht ein. Damit das Trinkwasser unter dem gesetzlichen Grenzwert von 50 Milligramm/Liter bleibt, verdünnen die Wasserversorger zu stark belastetes Grundwasser mit unbelastetem Wasser. Immer mehr Wasserwerke müssen aber Nitrat technisch aus dem Grundwasser entfernen, weil zu wenig unbelastetes Grundwasser vorhanden ist. Das ist relativ teuer und erhöht letztlich die Wasserrechnung der Verbraucher.
Deutsche Düngeverordnung - löchrig wie ein Schweizer Käse
Die Verbände der Wasserwirtschaft haben sich nun in einem Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt sowie die Bundeskanzlerin gewandt. Dabei geht es um die geplante Änderung der Düngeverordnung. Die deutsche Düngeverordnung wurde 1995 erlassen, um die EU-Nitratrichtlinie umzusetzen. Doch die Verordnung hat so viele Ausnahmen und Schlupflöcher wie ein Schweizer Käse Löcher hat.
So können Landwirte unterm Strich die Hälfte der Nährstoffe aus Gülle wegrechnen oder mit Ausnahmegenehmigung fast das ganze Jahr über Gülle ausbringen, selbst wenn keinerlei Pflanzen den Dünger aufnehmen können.
Und im Sommer nach der Getreideernte sollte Gülle eigentlich nicht in praller Sonne ausgebracht werden, sondern sofort eingearbeitet werden. Da jedoch kaum Kontrollen stattfinden, halten sich nur wenige Landwirte daran. Man kann dies jeden Sommer nach der Getreideernte riechen. Zugleich ist die Ausbringungstechnik völlig veraltet und fördert Nährstoffverluste. Fast zwangläufig landen daher riesige Mengen Stickstoff und Phosphat in der Umwelt, führen zu Algenblüte in Seen und steigenden Nitratwerten im Grundwasser.
Deutschland: Beim Wasserschutz hundsmiserabel
Im Vergleich zu anderen EU Ländern schneidet Deutschland beim Wasserschutz miserabel ab. Das verantwortliche Bundeslandwirtschaftsministerium hat nun einen Entwurf für eine Novelle der Düngeverordnung vorgeschlagen, die jedoch nur geringfügige Änderungen beinhaltet wie eine um einen Monat verlängerte Ausbringungssperrzeit im Winter, größere Güllebehälter und die Einbeziehung von Gärresten aus Biogasanlagen.
Wissenschaftler, Wasserwerke und Umweltschützer fordern deutlich weitgehendere Maßnahmen speziell für Betriebe mit Massentierhaltung, um das Nitratproblem in den Griff zu bekommen: längere ausbringungsfreie Zeiten im Winterhalbjahr, auf den tatsächlichen Bedarf der Pflanzen abgestimmte Ausbringungsmengen und moderne Technik, bei der so wenig Nährstoffe wie nur möglich in Luft und Wasser verloren gehen. Nur durch effektive Maßnahmen und nicht durch eine Placebo-Reform kann unser Grundwasser vor weiteren Vergiftungen gerettet werden.
Globale Wasserkrise trifft Deutschland
WWF-Studie warnt vor „importiertem Wasserrisiko“ in Zeiten der Globalisierung
WWF Pressemitteilung, 27.8.14
Gemüse aus Spanien, Baumwolle und Kleidung aus Indien, Metalle aus Südafrika, Rosen aus Kenia, Phosphor aus China: Deutschland hat bei vielen Waren ein besorgniserregendes, „importiertes Wasserrisiko“. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Naturschutzorganisation WWF. „Von Reputationsschäden bis hin zu Standortschließungen, versteckte Wasserrisiken können im Extremfall Milliardenausfälle für deutsche Unternehmen nach sich ziehen“, erklärt Philipp Wagnitz, WWF-Referent und einer der Autoren. Der WWF-Studie zufolge ist Wasser hierzulande zwar ausreichend vorhanden, doch da Deutschland als weltweit drittgrößte Importnation auf ausländische Waren angewiesen ist, müssten Unternehmen und Politik lokal angepasste Strategien für die globale Wasserkrise entwickeln.
So bezog die deutsche Wirtschaft aus dem wasserintensiven, südafrikanischen Bergbausektor 2012 rund 5,5 Mio. Tonnen im Wert von knapp 2 Milliarden Euro, darunter Steinkohle, Metalle und Erze. Durch den Import von Baumwolle und Textilien hinterlässt Deutschland in Pakistan jährlich einen Wasser-Fußabdruck in Höhe von 5,46 Kubikkilometer. Das entspricht beinahe dem doppelten Volumen des Starnberger Sees. Und „Europas Gemüsegarten“ in Spanien droht sich durch teils illegale Bewässerung selbst auszutrocknen, wobei die Bundesrepublik von dort 2013 allein 180.000 Tonnen Tomaten im Wert von rund 250 Mio. Euro bezog.
„Wasser wird lokal immer knapper und dieses Problem betrifft nicht mehr nur Entwicklungsländer und Wüstenregionen. Für die Wasserkrise verantwortlich und zugleich von ihr betroffen sind wichtige deutsche Wirtschaftssektoren, vom Lebensmittelhandel, über die Automobilindustrie bis zur Modebranche“, so WWF-Experte Wagnitz. Eine wachsende Bevölkerung, steigender Konsum und der Klimawandel werden, so die Prognose, die Verfügbarkeit und Qualität von Wasser weiter verschlechtern - und damit auch Auswirkungen auf von Deutschland benötigten Waren und Ressourcen haben.
„Viele Unternehmen wissen noch nicht einmal, dass sie versteckten Wasserrisiken ausgesetzt sind. Erst wenn es zu Engpässen oder Problemen kommt, werden sie sich dessen bewusst“, kritisiert Wagnitz. Eine wesentliche Ursache sei neben der Verschmutzung nicht nur die Verfügbarkeit und Nutzung von Wasser, sondern auch die unzureichende Verwaltung und Verteilung der Ressourcen. Dementsprechend seien besonders Regierungen und Unternehmen in der Pflicht, Wassermanagementstrategien etwa für betroffene Flussgebiete zu entwickeln und die Ressource gerecht aufzuteilen. Nur so könnten Konflikte um Wasser in Zukunft gemindert werden.
„Wasser ist nicht nur eine ökologische oder soziale Frage, sondern auch eine ökonomische. Simple Lösungen gibt es daher in diesem komplexen Gefüge leider meistens nicht“, so Wagnitz. Vielmehr müsse jede Region, jeder Fall gesondert analysiert werden. Danach gelte es, gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Nur so könnten auch die betroffenen Unternehmen ihre ökonomischen und nicht zuletzt reputativen Risiken minimieren.
Hintergrund WWF-Studie „Das importierte Risiko“
Basierend auf einer Kombination ihrer Abhängigkeit von Wasser und ihrem Wasserrisiko wurden vier Wirtschaftssektoren mit direktem Wasserrisiko (Landwirtschaft, Chemie-, Textil- u. Bekleidungsindustrie sowie Rohstoffindustrie) und zwei Sektoren mit indirekten Wasserrisiken (Finanzdienstleistungen und Einzelhandel) ausgewählt und analysiert.
Darüber hinaus wurden Länder mit hohem Wasserrisiko identifiziert, die für den Warenimport mindestens eines Wirtschaftssektors von großer Bedeutung sind:
- China, Bangladesch und Indien Textil- und Bekleidungsindustrie
- Russland, Libyen, Südafrika Rohstoffe und Metalle
- Äthiopien, Indonesien, Argentinien Landwirtschaft
- China, Indien, Marokko Chemikalien
Zur Reduktion von Wasserrisiken hat der WWF das Water Stewardship-Konzept entwickelt. Mit einem schrittweisen Ansatz ist es Unternehmen dabei möglich, ein Wasserbewusstsein zu entwickeln, Wasserrisiken zu analysieren und darauf mit internen und externen Maßnahmen zu reagieren. Im Fokus stehen gemeinsame Strategien und Lösungen mit anderen Wassernutzern, Behörden und der Zivilgesellschaft in den betroffenen Gebieten.
Bundesregierung plant Pro-Fracking-Gesetz
BUND: Risiken inakzeptabel
BUND Pressemitteilung, 5.9.14
Berlin: Für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sind die Pläne der Bundesregierung, die riskante Gasfördermethode Fracking in großen Tiefen noch in diesem Jahr erlauben zu wollen, "ein klarer Fall von vorauseilendem Gehorsam gegenüber internationalen Energiekonzernen". Diese wollten spätestens mit dem transatlantischen Handelsabkommen TTIP die Schiefergasförderung in Deutschland durchsetzen, sagte die BUND-Energieexpertin Ann-Kathrin Schneider. Sie warf der Bundesregierung vor, die inakzeptablen Risiken des Einsatzes hochgiftiger Chemikalien beim Fracking zu unterschätzen. Das ergebe sich aus der heute bekannt gewordenen Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen.
"Fracking gefährdet die Grund- und Trinkwasservorkommen in Deutschland. Fracking gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung und Fracking ist lediglich eine weitere Methode, um das System der fossilen Energieerzeugung am Laufen zu halten", sagte Schneider. "Die vielen mit Fracking verbundenen Risiken lassen sich nur vermeiden, wenn die Bundesregierung diese Gasfördermethode in jeder Variante verbietet", so Schneider.
Erforderlich sei stattdessen ein schnellerer Ausstieg aus den Energieträgern Atomkraft, Kohle, Öl und Gas und ein konsequenter Umstieg auf erneuerbare Energien. "Fracking schadet dem Klimaschutz. Die Bundesregierung weiß, dass Deutschland seine anvisierten Klimaziele nur erreichen kann, wenn es sich konsequenter als bisher von fossilen Energiequellen verabschiedet und die Energieverschwendung eindämmt", sagte Schneider.
Gegen Fracking spreche auch, dass hierzulande mit dieser Methode förderbares Gas nur einen Bruchteil des Verbrauchs in Deutschland decken könne. "Es ist der falsche Weg, viele hundert Millionen Euro in eine Technologie zu investieren, die lediglich einen kurzen Zeitraum überbrückt und den Ausstieg aus fossilen Energien verzögert", sagte Schneider.
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