powered by <wdss>
Aktuell

Hungernde Fledermäuse

NABU-Experten warnen: Fledermäuse finden immer weniger Nahrung

Tschimpke: Deutschland muss dringend bundesweites Insekten-Monitoring aufbauen

NABU Pressemitteilung, 9.4.17

Berlin/Wetzlar – Aktuell erwachen Deutschlands Fledermäuse aus ihrem Winterschlaf. Nachts gehen sie auf die Jagd, um ihre leeren Reserven aufzutanken. Doch die Nahrungssuche wird für Fledermäuse immer schwieriger. Fledermausforscher des NABU warnten daher auf einer Tagung im hessischen Wetzlar vor einem möglichen starken Rückgang von Großem Mausohr, Zwergfledermaus und Co.

„Unsere Fledermäuse ernähren sich grundsätzlich von Insekten. Doch seit einiger Zeit beobachten wir einen alarmierenden Rückgang unter ihnen, dessen Umfang noch keiner genau kennt“, so Karl Kugelschafter, Sprecher der NABU-Bundesfachausschusses Fledermäuse. Betroffen seien nicht nur einzelne Insektenarten, sondern die Gesamtmasse. Für Fledermäuse sei dies eine fatale Aussicht, ebenso für die gesamte Nahrungskette. „Fledermäuse sind auf Insekten angewiesen, genauso wie Mauersegler oder Schwalben. Sterben die Insekten, werden Blumen und Bäume nicht mehr bestäubt. Unsere gesamte Nahrungskette steht mit dem Zustand der Insektenwelt auf der Kippe“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke, der die Tagung in Wetzlar eröffnete.

Ab der Abenddämmerung jagen unsere 25 heimischen Fledermausarten vor allem Mücken und Nachtfalter. Um zu überleben, muss eine Fledermaus täglich bis zu einem Drittel ihres eigenen Körpergewichts fressen. Das entspricht bis zu zehn Gramm, allein in den Sommermonaten kommt so rund ein Kilogramm Insekten-Nahrung zusammen.

Neueste Studien werteten die 400 Fledermauskundler als Alarmsignal: Demnach könnte das Grundnahrungsmittel der Fledermäuse in einigen Teilen Deutschlands bald nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen. In Nordrhein-Westfalen hatten Untersuchungen unlängst belegt, dass die Gesamtbiomasse der Insekten hier in den vergangenen 15 Jahren um bis zu 80 Prozent zurückgegangen ist. Auch der Blick auf die Rote Liste ist alarmierend: Jede zweite Wildbienenart ist hierzulande inzwischen im Bestand gefährdet.

„Bislang existieren nur einzelne punktuelle Untersuchungen zum Rückgang der Insekten. Das kann nicht die Lösung sein. Wir brauchen endlich ein bundesweites Monitoring, das dauerhaft den Zustand unserer Insektenwelt erfasst“, forderte der NABU-Präsident. Schon zur kommenden Legislaturperiode müsse dies umgesetzt werden.

Als Hauptursache für den Rückgang der Fledermäuse zählt – neben dem Verlust an geeignetem Wohnraum – der Einsatz von Insektiziden in einer immer monotoneren intensiven Landwirtschaft. Durch Pflanzenschutzmittel und andere Pestizide seien Insekten oft mehrfach belastet. Nimmt eine Fledermaus solche Insekten auf, reichern sich die Gifte in ihrem Körper an, schwächen die Tiere selbst oder ihren Nachwuchs.

Der NABU fordert daher, alle kritischen Insektizide endlich auf ihre Auswirkungen hin zu überprüfen. Erst wenn nachgewiesen sei, dass diese Stoffe keine schädigenden Folgen für die Ökosysteme haben, sollten sie zugelassen werden. Außerdem müsse die Bundesregierung dafür sorgen, dass der Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft drastisch reduziert werde, auf EU-Ebene müsse sie sich zudem für ein grundsätzliches Verbot bienenschädlicher Neonikotinoide einsetzen. Auch die Kommunen sehen die Naturschützer in der Pflicht: Auf ihren eigenen öffentlichen Flächen sollten sie die Anwendung von Glyphosat und weiteren Pestiziden verbieten.

Derzeit befragt die EU-Kommission Europas Bürger zu ihren Erwartungen an die zukünftige Landwirtschaftspolitik. Bis zum 2. Mai können verschiedene Fragen beantworten werden, unter anderem zum Einsatz von Pestiziden und zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Die Ergebnisse sollen in den Entscheidungsprozess der EU einfließen, wie die Gemeinsame Agrarpolitik ab 2021 ausgestaltet wird. Derzeit machen die Agrar-Subventionen rund 60 Milliarden Euro pro Jahr und 40 Prozent des EU-Haushalts aus. EU-Agrarkommissar Phil Hogan will Ende des Jahres erste Optionen festlegen, im Frühjahr 2018 soll ein konkreter Vorschlag folgen, wie die Subventionen künftig verteilt werden.




» zurück
 

Druckversion