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Pilze im Regenwald

Pilze fördern die Pflanzenvielfalt des Regenwalds

Von Angelika Jacobs, ETH Zürich Pressemitteilung, 22.1.14

Regenwälder sind mit bis zu 300 Pflanzenarten pro Hektar die artenreichsten Flecken der Erde. Ein internationales Forscherteam hat herausgefunden, was dominante Arten im Zaum hält und so selteneren Pflanzen eine Chance gibt zu gedeihen.

Vor über 40 Jahren stellten die amerikanischen Ökologen Daniel Janzen und Joseph Connell eine Hypothese auf: Krankheitserreger und Insekten halten sich rasch vermehrende Pflanzen in Regenwäldern im Zaum und verhindern, dass sie alle anderen Pflanzen verdrängen. Ein Forscherteam um Owen Lewis von der Universität Oxford und Robert Bagchi, der die Studie in Oxford begann und an der ETH Zürich zu Ende führte, testete diese Hypothese nun erstmals umfassend an einer ganzen Pflanzengemeinschaft. Dabei konnten sie zeigen, dass Pilze die treibende Kraft hinter der Artenvielfalt bilden, obwohl ihnen als «Pflanzenseuche» sonst ein negatives Image anhaftet.

«Im Pflanzenreich sind enge Verwandte schlechte Nachbarn», erklärt Lewis. «Sprösslinge, die neben Pflanzen ihrer eigenen Art wachsen, sterben häufiger ab. Und wir wissen jetzt warum.» Pflanzenpathogene wie Pilze verbreiten sich leichter unter Individuen der gleichen Art, die nahe beieinander wachsen, und führen so zu dichteabhängiger Sterblichkeit. Indem sie die Anzahl Pflanzen einer dominanten Art begrenzen, sorgen Pilze für die Chancengleichheit in der Pflanzengemeinschaft.

Krankheit und Vielfalt

Dass sehr verbreitete Arten anfälliger sind für Krankheiten, sei nicht überraschend und wurde in Forschungsarbeiten schon mehrfach gezeigt, sagt Bagchi, Erstautor der Studie, die im Fachblatt Nature erscheint. «Aber die nächste Stufe – ein experimenteller Beweis dafür, dass dies zu mehr Pflanzenvielfalt im Regenwald führt – geht einen bedeutenden Schritt weiter.»

Um die Janzen-Connell-Hypothese zu testen und den Effekt von Pilzen und Insekten auf Pflanzengemeinschaften separat zu entschlüsseln, untersuchten die Forschenden Testareale im Chiquibul Forest Reserve in Belize. Dabei besprühten sie einen Teil der Areale mit Wasser, einen anderen mit einem Insektizid oder einem von zwei unterschiedlichen Fungiziden. Insbesondere eines der Fungizide reduzierte die Pflanzenvielfalt im Laufe der Zeit deutlich. Das Insektizid dagegen veränderte die Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaft, aber nicht die Anzahl der im Testareal vertretenen Arten.

An der ETH Zürich nutzte Bagchi Computermodelle, um zwei mögliche Erklärungsansätze für das Beobachtete zu testen: Zum einen könnten Pilze die Überlebensrate von Sprösslingen beeinflussen, egal wie häufig die gleiche Art am selben Ort vorkommt, zum anderen könnten sie einen dichteabhängigen Effekt haben. Das Computermodell, das letztere Situation simulierte, erzeugte ein ähnliches Bild wie das im Wald beobachtete, und bestätigte so die Pilze als Verursacher der dichteabhängigen Mortalität und somit der hohen Artenvielfalt im Regenwald.

Neue Aspekte des Artenschutzes

«Wir müssen vorsichtig sein, diese Resultate nicht überzuinterpretieren, da wir den Effekt nur über eine relativ kurze Zeitspanne und nur in einem bestimmten Regenwald beobachtet haben», sagt Bagchi. In Regenwäldern mit anderem Klima könnte der Effekt anders sein. Der Regenwald in Belize hat beispielsweise eine ausgeprägte Trockenperiode, welche die Verbreitung von Pilzen hemmt. «Wir vermuten, dass der Effekt von Pilzen – die dichteabhängige Mortalität zu verursachen – am stärksten in feuchteren, wärmeren Gebieten ausgeprägt ist, weil die Pilze dort am besten gedeihen.»

Die Erkenntnisse könnten ausserdem bedeutend sein im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Klimamodelle sagen voraus, dass eine Erwärmung des Klimas zu weniger Niederschlägen führt, was wiederum die Verbreitung von Pilzen einschränken würde. «Man könnte denken , aber weniger Krankheitskeime bedeutet auch weniger Biodiversität. Und die Artenvielfalt unserer Regenwälder ist sicherlich etwas, das wir unbedingt erhalten wollen», sagt Bagchi.




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